Als Anhänger materialistischer Weltsichten und Philosophien verneine ich doch zumeist die Existenz einer Kraft jenseits der sichtbaren und erklärbaren Dinge. Doch immer wieder im Leben kommt man gerade in Schicksalhaften Stunden an den Punkt, wo sich vermeintliche Zufälle und Ereignisse derart verdichten, dass selbst Anhänger der Chaosforschung die Dynamik des Lebens wohl nicht mehr veranschaulichen könnten und auch der sonst so übliche Reflex, eine Logik hinter den Abläufen erkennen zu wollen, den eigenen Verstand und sein abgelegtes Wissen überfordert. So stellen sich mir immer wieder Fragen wie: Ist es قسمة (Kismet, Schicksal), dass uns ereilt? Oder haben wir mit unserem bisherigen Verhalten lediglich die Verteilung von gutem und schlechtem Karma neu geregelt? Ist es eine höhere Kraft, die uns, die Photonen oder andere Elementarteilchen zwischen uns oder unseren Körpern beeinflusst? Oder wirken doch die Prinzipien des alten 陰陽 (Yin und Yang), nach denen sich bei daoistischer Lesart die Gegensätze (Glück und Leid) eigentlich bedingen und wir uns nur im Kreislauf des steten kosmischen Kampfes von Yin und Yang befinden, sich gegenseitig zu überwinden?

Oder sind all diese Ereignisse gar nur äußerer Schein, fetischhaft verdichtet in einer zu Spektakeln neigenden Gesellschaft (und damit neigen auch wir dazu), in der das Wahre schon ein Moment des Falschen darstellt? Gibt es sie etwa doch, die Matrix, und sind die irritierenden Momente von extremen Glück und bedrohlichem Leid doch nur Fehler im Algorithmus der großen biopolitischen Maschinerie?

Was ist der Grund für all diese Verdichtungen von Leid und Glück, warum trifft dies meine Liebsten und mich, was ist die wirkliche Wahrheit hinter diesen Ereignissen?

Ein kluger Philosoph, den ich kenne und schätze, hat einmal über das Verhältnis von Ereignis und Wahrheit in anderem Kontext geschrieben, dass es eigentlich nur vier Ereignisse gäbe, die im Stande wären, die Wahrheit hinter all dem alltäglichen Schein hervorzubringen und sich als Wahrheitsereignis in den Individuen einzuschreiben: Die Geburt und der Tod, die Liebe und die Revolution.

Kein Wunder also, dass ich in’s Grübeln komme, wenn drei der vier Ereignisse uns tangieren. Ich werde das Buch wohl noch einmal lesen.